STADTENTWICKLUNG | 700 Wohnungen – und drei Schulen gibt es gratis dazu

Ludwig Hoffmann Quartier Uncategorized

Berliner Morgenpost

21.08.2015, 06:00

Von Joachim Fahrun

Ein Investor macht für 250 Millionen Euro aus früherer Klinik ein Stadtquartier. Dazu gehören auch Wohnheime für behinderte Kinder.

Ein Gutmensch möchte er nicht sein. Die sind auch eher selten in Andreas Dahlkes Branche der Projektentwickler, in der es immer auch um viele Millionen Euro geht. Und nicht wenige seiner Kumpels fragen den jungenhaft wirkenden Hünen mit der Brille, ob er nicht eine Macke habe.

Dahlke schmunzelt, während er das erzählt. Wobei „Macke“ ein passender Einstieg ist für ein Gespräch über sein Projekt. Immerhin ist er seit Ende 2012 dabei, aus dem Komplex der früheren städtischen Nervenheilanstalt einen neuen Stadtteil zu machen. „Die Leute saßen in den verfallenen Pavillons und haben sich die Kante gegeben“, beschreibt er die Lage, ehe er das Gelände günstig vom Liegenschaftsfonds des Landes erworben hat. Der Fonds saß damals im Pankower Ortsteil Buch auf einer Reihe vergammelter Krankenhausareale und war dankbar, die millionenteuren Instandhaltungskosten für die 28 Hektar mit 31 meist denkmalgeschützten Gebäuden los zu sein.

Das Projekt heißt nach dem ehemaligen Berliner Stadtbaurat „Ludwig Hoffmann Quartier“. Von diesem stammt die Initiative, kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts Berlins Kranke, Alte und Behinderte aus der engen, stinkenden Innenstadt auszulagern und das kurz zuvor nach Berlin eingemeindete Buch zum größten Krankenhausstandort Europas zu machen. Es entstanden riesige Krankenhausstädte mit Pavillons, Parkanlagen und prächtigen Gemeinschaftsbauten. Zu DDR-Zeiten arbeiteten in Buch 40 Kliniken und Institute. Diese Infrastruktur bot die Basis für den Biotechnologiepark Buch, ein paar Kilometer östlich von Dahlkes Quartier. Sie hinterließ aber auch Immobilien, die ohne Fantasie und eine anziehende Konjunktur kaum zu vermarkten waren.

Mit dem Aufschwung und dem Wachstum Berlins hat sich das jedoch geändert. Dahlke wird keine Probleme haben, die mehr als 700 Wohnungen loszuwerden, die in den denkmalgeschützten Altbauten bereits entstanden beziehungsweise in einigen noch zu errichtenden Wohnhäusern geplant sind.

Platz für 1000 Kinder

Der Entwickler, der seine ersten Buch-Erfahrungen bei der Sanierung des wesentlich kleineren, aber vergleichbaren Projekts „Ludwigspark“ sammelte und auch privat dort eingezogen ist, will aber mehr als Wohnen mit Blick auf gepflegte Rasenflächen und alte Bäume. „Die Ersten, die hier 2013 das Gelände bevölkerten, waren die Kinder“, sagt der studierte Philosoph und strahlt. Denn Dahlke hat getan, wozu sich andere Investoren erst nach harten Verhandlungen mit der Stadt bereit erklären. Er schafft eine sogenannte soziale Infrastruktur.

Wohnheime für behinderte Kinder und Altenwohnungen mit Pflegeangeboten gehören zum Konzept. Zwei Schulen, eine evangelische und eine mit Montessori-Ansatz, gibt es bereits. Eine Oberschule ist ebenfalls geplant, dazu eine gemeinsame Mensa und eine Sporthalle. Eine Kita wird es ebenfalls geben. Wenn alles fertig ist, werden 1000 Kinder im Quartier lernen, weit mehr als die Einwohner selber haben. Für dieses Angebot bekam Dahlke kein Geld vom Land Berlin. „In dem ganzen Gelände steckt kein Cent Fördermittel“, sagt er stolz. Stattdessen hat er die Schulen mit einer wohl siebenstelligen Summe aus den Erlösen des Gesamtprojektes quersubventioniert, also de facto selbst bezahlt.

Das wäre gewiss nicht möglich gewesen, wenn hinter ihm ein renditeorientierter Fonds stünde, ist Dahlke überzeugt. Die Manager hätten mit Sicherheit auf einen größeren „Deckungs!-beitrag“ der Schulgebäude gedrungen. „Aber ich bin ganz alleine“, versichert der Entwickler. Diese Rolle bereite ihm bisweilen schlaflose Nächte, schließlich bewegt er mit seiner 20-Mitarbeiter-Firma eine Gesamtinvestition von mehr als einer Viertelmilliarde Euro. „Aber ich bin frei“, beschreibt Dahlke den Vorteil. Generell hält er es für problemlos möglich, aus den Renditen von Bauvorhaben Wünsche der Stadt querzusubventionieren, seien es Kitas, Schulen oder auch günstigere Mieten.

Kaufmännisch sei alles machbar

Möglich geworden ist sein Projekt durch schrittweises Vorgehen. Er verkaufte einzelne Wohngebäude quasi als Rohlinge an Bauträger, die diese sanierten und die Eigentumswohnungen veräußerten. Mit diesen Erlösen konnte Dahlke das weitläufige Gelände erschließen und immer wieder neue Gebäude anfassen. Alle einzelnen Bauträger folgen dabei den streng mit dem Denkmalschutz abgestimmten Gestaltungsvorgaben. So sind die Balkone zwar neu, wirken aber in ihrem blassen Gelbton so, als hätten sie schon zu Kaisers Zeiten an den Fassaden gehangen.

Obwohl die Wohnungen Privatleuten gehören, sind sie fast alle vermietet, zu neun Euro pro Quadratmeter. Die Kostenmieten müssten zwei bis drei Euro höher liegen, berichtet der Geisteswissenschaftler, der nach der Wende in die Immobilienbranche rutschte und sich zum Immobilienökonomen weiterbildete. Aber weil die Kapitalanleger für die Wiederherstellung denkmalgeschützter Substanz Steuervergünstigungen in Anspruch nehmen können, sind niedrigere Mieten möglich.

„Wenn man eine Idee hat, möchte man nicht sofort anfangen zu rechnen“, beschreibt Dahlke beim Rundgang seine Philosophie, die ihn zum Bucher aus Überzeugung gemacht hat. Aber kaufmännisch sei alles machbar, betont er.

Auf dem Gelände zeigt er die Parkplätze für die Bewohner am Rande der Anlage, damit sie nicht den Park im Inneren vollstellen. Er weist auf die bis zum Boden gezogenen Fenster, wo demnächst die Montessori-Schule ihr Atelierhaus beziehen wird. Und selbst einen abgewrackten DDR-Bau sieht er als künftigen Gewerbestandort, wo er selber mit seinen Leuten einziehen will, wenn sein jetziges Büro in einem alten Klinikgebäude umgebaut wird.

Kreative nach Buch locken

Kopfzerbrechen bereitet ihm noch das frühere Kulturhaus mit seinem mächtigen Säulenportal. „Vielleicht wird das ein Kreativzentrum“, sinniert er. Wobei Kreative nicht so leicht zu locken sind in Berlins einzigen außerhalb des Autobahnrings gelegenen Stadtteil. Und auch für das Klinikgebäude des Bauhaus-Architekten Franz Ehrlich, das in den 50er- Jahren entstand, fehlt noch die Nutzung. Dahlke denkt an ein Hospiz, an Intensivpflege und Demenzkranke. Ein Träger stünde bereit, „aber dafür brauche ich die Zustimmung der Politik“, sagt er.

2018 will Andreas Dahlke mit dem Ludwig Hoffmann Quartier fertig sein. Gut möglich, dass er danach weiter in Buch arbeiten wird. Denn Bezirk und Senat denken darüber nach, wie sie den Stadtteil weiterentwickeln können. Mit den früheren Krankenhäusern der Staatssicherheit und der DDR-Regierung warten weitere komplizierte Immobilien auf eine kreativen Kopf, der sie wachküsst. Angesichts der guten Erfahrungen mit dem Entwickler Dahlke könnte es sein, dass er bei solchen Vorhaben eine Rolle spielen wird, wenn ein Konzept aus einer Hand präferiert würde. Doch das ist Zukunftsmusik.

Sicher ist jedoch, dass er für sein Projekt in Buch den idealen Zeitpunkt erwischt hat. „Fünf Jahre früher wäre das wegen der schlechten Vermarktungschancen noch nicht möglich gewesen“, glaubt Andreas Dahlke, „und fünf Jahre später hätten sich die Großen an einem solchen Vorhaben gütlich getan.“